Xi Jinping fordert Olaf Scholz zu einer engeren Zusammenarbeit auf

Auch weil sich die Fronten zwischen China und den USA permanent verhärten, sucht Chinas Staats- und Parteichef demonstrativ die Nähe zu Deutschland.

Matthias Kamp, Peking
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Der chinesische Präsident Xi Jinping hat Bundeskanzler Scholz in der Grossen Halle des Volkes in Peking zum Gespräch empfangen.

Der chinesische Präsident Xi Jinping hat Bundeskanzler Scholz in der Grossen Halle des Volkes in Peking zum Gespräch empfangen.

Kay Nietfeld / AP

Bei ihrem ersten persönlichen Treffen, seit Bundeskanzler Olaf Scholz sein Amt antrat, machte sich Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping dafür stark, dass Deutschland und China in einer zunehmend «chaotischen» Welt enger zusammenstehen. «Als einflussreiche und bedeutende Mächte sollten China und Deutschland in dieser chaotischen und sich ändernden Situation zusammenarbeiten und zum Frieden in der Welt und zur Entwicklung beitragen», sagte Xi. Trotz allen Unterschieden sei eine gute Zusammenarbeit möglich, solange sich beide Seiten zu gegenseitigem Respekt bekennten.

Am späten Freitagvormittag Ortszeit trafen Scholz und Xi in der Grossen Halle des Volkes in Peking zu einem Gespräch mit einem anschliessenden Mittagessen zusammen. Scholz war am Morgen, begleitet von einer zwölfköpfigen Wirtschaftsdelegation, in der chinesischen Hauptstadt angekommen. Zu den Vertretern der Wirtschaft zählen unter anderem die Chefs von Volkswagen, Deutscher Bank, BASF, Siemens und Biontech.

Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine wies Scholz darauf hin, dass sein China-Besuch in einer Zeit «grosser Spannungen» stattfinde, die grosse Probleme für die regelbasierte Weltordnung mit sich brächten. «Darum bin ich sehr froh, dass ich heute hier sein kann und wir miteinander sprechen können», so Scholz.

Kritik an der China-Visite

In Deutschland hatte es aus Koalitionskreisen teilweise deutliche Kritik an der Chinavisite des Bundeskanzlers gegeben. Vor knapp zwei Wochen hatte sich Xi vom Parteitag der KP für eine dritte fünfjährige Amtszeit als KP-Chef wählen lassen. Kritiker monieren, der Besuch Scholz’ in einem China, das unter Xi auf einen immer autoritäreren Kurs einschwenke, könne wie eine Gratulationsvisite wirken. Die deutsche Bundesregierung arbeitet derzeit an einer China-Strategie, die im kommenden Jahr fertig werden soll. Eine Strategie, die in Peking mit Spannung erwartet wird.

Scholz versuchte bei seinem Treffen mit Xi darauf hinzuwirken, dass dieser seinen Einfluss auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin nutzt und ihn zu einer möglichen friedlichen Lösung im Ukraine-Konflikt bewegt. Jüngst hatten auch ranghohe chinesische Militärs signalisiert, mit dem Einsatz taktischer Atomwaffen durch Russland würde eine rote Linie überschritten. Die Regierungen in Peking und Berlin seien sich einig, dass russische Drohgebärden mit Atomwaffen nicht akzeptabel seien, sagte Scholz bei seinem anschliessenden Treffen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang.

Scholz bezeichnete China als «grosses Land». Als ständiges Mitglied des Uno-Sicherheitsrats habe die Volksrepublik auch Verantwortung für den Frieden in der Welt. «Ich habe Präsident Xi gesagt, dass es wichtig ist, dass China seinen Einfluss auf Russland geltend macht.»

Wenig Anlass für Optimismus

Dass Xi in Moskau Erfolg haben könnte, muss aber bezweifelt werden. «Zu viel Optimismus, was die Interessen und Einflussmöglichkeiten Pekings gegenüber Moskau angeht, ist nicht angebracht», sagt Mikko Huotari, der Direktor des Mercator-Instituts für China-Studien (Merics) in Berlin. «Insbesondere die Möglichkeiten Deutschlands, solche Kalkulationen im Alleingang zu beeinflussen, sollten nicht überschätzt werden.»

Sorgen bereitet Scholz die Wirtschaftspolitik Chinas. Bei seinem Treffen mit dem Regierungschef Li wies der Bundeskanzler darauf hin, dass man in Deutschland durchaus zur Kenntnis nehme, dass die Diskussionen in China zunehmend um eine anzustrebende Autarkie kreisten, während zuvor die Wirtschaft im Vordergrund gestanden habe. «Klar ist, dass wir keine Anhänger einer Entkopplung sind», sagte Scholz bei seinem Treffen mit Li.

Scholz hielt sich mit Kritik an den wirtschaftlichen Praktiken Chinas nicht zurück. Er monierte vor allem den immer noch schwierigen Marktzugang für Unternehmen aus dem Ausland. Es gehe um wirtschaftliche Beziehungen auf Augenhöhe und um Reziprozität. «Investitionszugänge müssen gleichermassen gewährleistet sein», sagte Scholz. Es dürften keine Abhängigkeiten entstehen, die dazu beitrügen, dass man nicht frei handeln könne.

Grosses Interesse an Investitionen

Gerade weil Chinas Wirtschaft aufgrund der Zero-Covid-Politik und der Krise im Immobiliensektor lahmt, hat das Land grosses Interesse an Investitionen aus dem Ausland. Vor wenigen Tagen verkürzte die chinesische Regierung darum die sogenannte Negativliste mit Branchen, in denen ausländische Firmen nicht investieren dürfen, noch einmal. «Wir bekennen uns zu Reform und Öffnung», sagte Li denn auch bei seinem Treffen mit Scholz. Der noch amtierende Ministerpräsident hatte sich stets für die Belange der Wirtschaft, vor allem auch diejenigen ausländischer Firmen, eingesetzt. Im März wird er seinen Posten räumen; Nachfolger wird Li Qiang, bisher Parteisekretär von Schanghai und enger Vertrauter von Xi.

Welchen wirtschaftspolitischen Kurs Li verfolgt, ist bis jetzt unklar. Manche Beobachter befürchten, er werde im Wesentlichen Xis Kurs folgen, der auf mehr Ideologie auch in der Wirtschaft setzt. Richtig ist allerdings auch, dass Li durch seine Tätigkeiten in Schanghai und zuvor in der wirtschaftlich bedeutenden Provinz Zhejiang um die Bedeutung der Wirtschaft für das Wohlergehen des Landes weiss.

Gerade weil die Beziehungen zu den USA zerrüttet sind, hat Peking ein genuines Interesse an einem funktionierenden Verhältnis zu Deutschland. Für seine Entwicklung ist das Land trotz grossen Fortschritten in den vergangenen Jahren noch immer auf Technologie aus dem Ausland angewiesen.

Im Rahmen einer engeren Zusammenarbeit bei der Pandemiebekämpfung erklärte sich die chinesische Regierung bereit, den Impfstoff von Biontech für in China lebende Ausländer zuzulassen. Dies könnte als erster Schritt gewertet werden, mit dem Peking die Menschen auf eine möglicherweise später erfolgende breitere Zulassung des Vakzins vorbereiten will. Scholz sagte: «Dies kann natürlich nur ein erster Schritt sein. Ich hoffe, dass der Kreis der Berechtigten bald erweitert werden kann, bis hin zu einer allgemeinen Verfügbarkeit des Stoffs.» Es sei auch über die Perspektive einer allgemeinen Zulassung gesprochen worden.